Rassismus und Tierleid

Rassismus ist verachtenswert, durch und durch, immer und überall. Jemanden abzuwerten und schlecht zu behandeln, weil er eine andere Nase hat, eine andere Hautpigmentierung, weil er eine andere Sprache spricht, ist verabscheuungswürdig. Rassismus muss grundsätzlich bekämpft werden. Hierbei darf es auch nicht von Bedeutung sein, welche Hautfarbe, Nasenform oder Geschlecht der Rassist, die Rassistin selbst hat, sonst führt sich wohlmeinender Antirassismus ad absurdum.

Bei der Bekämpfung von Rassismus geht es darum, jene, die von einer wie auch immer gearteten Gruppe verachtet, verfolgt oder getötet werden, vor Leid, Schmerz und Demütigung zu bewahren. Man weiß, dass die Verfolgten leiden, und genau das will ein ethisch und empathisch denkender Mensch vermeiden oder abschaffen.

Nun ist der Mensch nicht allein auf diesem Planeten. Es gibt sehr viele andere Lebewesen, die, wie der Mensch, im Zuge der Evolution entstanden sind und oft schon sehr viel früher als er. Diese Lebewesen haben eine ganz andere Nase, eine ganz andere Haut und eine der menschlichen Gestalt nicht oder kaum ähnliche Erscheinungsform. Ein Fell haben manche, Schuppen oder Federn. Andere Sprachen sprechen sie, die wir nicht oder kaum verstehen. Sie haben die gleiche Sinneswahrnehmung wie der Mensch, sogar in einer sehr viel besseren Ausformung. Ihre Sinne sind so viel schärfer ausgeprägt als unsere. Sie fühlen gleich, sie verfügen über die gleiche Bandbreite an Gefühlen. Wie der Mensch empfinden sie Freude und Trauer, Wut und Liebe, wie der Mensch sorgen sie für ihre Kinder und verteidigen sie, naturgemäß. Wie der Mensch suchen sie die Nähe zueinander, entwickeln Freundschaften, haben Vorlieben und Abneigungen, ganz individuell.
 
Säugetiere paaren sich wie der Mensch, sind zu Orgasmen fähig, tragen und gebären ihre Kinder wie der Mensch, mit kürzeren oder auch längeren Schwangerschaften. Sie verfügen über die gleichen Gehirnstrukturen: Gehirnstamm (Instinkt), limbisches System (Gefühle), Neocortex (sensorische Wahrnehmung, Ausführung von Bewegungsabläufen und verschiedenste kognitive Fähigkeiten). Der menschliche weiter entwickelte Neocortex ermöglicht es, darüber hinaus Ideen, Utopien, Glaubensvorstellungen und Ideologien zu entwickeln.

Tiere sind ebenso leidensfähig wie der Mensch. An diesem Fakt kann nicht länger gerüttelt werden. Es tut ihnen so weh wie uns, wenn sie geschlagen, erstochen, geschächtet werden, und sie haben ebenso panische Angst, wenn sie, wie die Lebewesen mit Schnäbeln und Federn, ohne Betäubung in die Schlachtmaschinen gehängt werden, kopfüber. Für Schweine, Schafe, Rinder oder Schafe ist es ebenso brutal und schmerzhaft,  wenn sie auf engstem Raum ohne Bewegungsfreiheit mit Massen von hochgestressten Artgenossen zusammengepfercht im eigenen Kot dahinvegetieren müssen. Schweine sind, das möge als Beispiel genügen, anders als ihr Ruf nicht nur sehr intelligent, sondern auch sehr reinlich, wenn man ihnen die Gelegenheit dazu gibt, ihre natürlichen Verhaltensweisen zu leben. Schweine halten ihre Schlafplätze sauber wie alle anderen Tiere auch. Das Schimpfwort Dreckschwein fällt allein auf den Menschen zurück, der aus einem so hochentwickelten Tier eine erbärmliche, bedauernswerte Kreatur macht.

Wie einem Menschen tut es Affen, Hunden, Katzen, Ratten und Mäusen weh, wenn sie im Tierversuch gefoltert werden, wenn ihnen der Schädel aufgebohrt oder der Bauch geöffnet wird, ohne Betäubung, um irgendwelche Reaktionen beobachten zu können. Man durchtrennt ihnen vorher die Stimmbänder, bei Hunden „entbellen“ genannt, um durch die Schmerzensschreie nicht im Forschen behindert zu werden. Sie alle leiden, unterschiedslos, wie wir. Sie verstehen nur nicht, warum sie so leiden müssen, und kein aufgeblähter Neocortex macht sie für irgendwelche Ideologien anfällig oder gaukelt ihnen Wahnideen vor.

Verteidigt man die Rechte der Tiere und macht auf die Ungeheuerlichkeiten aufmerksam, die deren Folter bedeutet, erntet man Unverständnis oder gar Empörung. „Aber das sind doch nur Tiere!“ Nur Tiere? Diese Aussage ist Ausdruck von radikalem Rassismus. Tiere haben eine andere Nase, einen anderen Körper, eine andere Hautbeschaffenheit, ein Fell und eine andere Sprache, aber die gleiche Empfindungsfähigkeit. Gleicher Schmerz, gleiche Verzweiflung. Wo bleibt an dieser Stelle das Mitleid, die Empörung über Grausamkeit und Folter, über eine willkürliche Abwertung von Lebewesen aufgrund ihrer Andersartigkeit?

Wer sich mit Rassismus ehrlich auseinandersetzen will, kommt am brutalsten Rassismus, den der Mensch hervorgebracht hat, Speziesismus genannt, nicht vorbei. Alles andere ist Verdrängung und Heuchelei. Es ist ein Entweder - Oder. Entweder man will Leid verhindern oder nicht. Entweder man fühlt mit Gequälten oder nicht. Menschenleid anerkennen: ja, Tierleid: nein? Das ist eine anerzogene und nie hinterfragte Ideologie, für den Menschen eine hervorragende und immer passende Rechtfertigung von ausgeübter Folter an Wehrlosen.

Wenn es wirklich um Ethik geht und nicht nur ums Phrasendreschen, hat die Rechtfertigung von Tierquälerei: „aber es sind ja nur Tiere“ keine Berechtigung mehr. „Es sind ja nur Tiere“ heißt übersetzt: Diejenige Art, die die Herrschaft über den Planeten an sich gerissen hat, erstellt eine Wertepyramide, an dessen Spitze sie selbst steht, praktischerweise. Alle anderen Lebewesen, die dasselbe Lebensrecht haben (wer sollte es ihnen nehmen dürfen?), sind folglich und laut Definition dieser einen Art minderwertig und dürfen daher gequält, geschlachtet und gegessen werden, weil es zum Nutzen und Vergnügen dieser einen Art geschieht. Diese eine Art hat sich selbst zur „Krone“ erhoben („Macht euch die Erde untertan“), wobei sie hier, auf höchstem Rang, immer noch Abstufungen untereinander vornimmt, zum Beispiel nach der Religionszugehörigkeit. Die Menschen hassen sich deshalb immer noch und immer mehr und schlagen sich gegenseitig die Schädel ein, ein Ende ist nicht in Sicht. Sind sie den Tieren hier überlegen? Ganz sicher nicht.

Religionen haben Speziesismus und Rassismus erschaffen und zementieren ihn. Es ist ihr Wesen, in Hierarchien zu denken. Sie müssten sich selbst abschaffen, ginge es ihnen um wahre Empathie und Gerechtigkeit. Sich wegen Rassismus im Land Sorgen zu machen, gleichzeitig aber überhaupt kein Problem mit millionenfachem grauenhaften Tierleid zu haben, zeigt den Grad der Verdrängung. Was ist mit uns passiert, dass wir nicht mehr (mit)fühlen, sondern nur noch verbissen Ideologien frönen können?

Es wäre ein Leichtes, Tierleid zu beenden, in allen Bereichen. Es ist auch noch so viel gesünder, nur Pflanzennahrung zu sich zu nehmen. Ohne das Wissen z. B. aus dem wegweisenden Buch „China Study“ der Autoren T. Colin Campbell und Thomas M. Campell, ist eine sinnvolle Diskussion hinfällig. Wer sich auch noch Gedanken macht um die an Hunger leidenden Menschen in der sog. Dritten Welt, um die vielen täglich verhungernden Kinder, und diese Gedanken sollte man sich machen, kommt auch nicht um das Thema Fleischessen herum. Diese armen Menschen müssen dort in Hunger und Elend verharren, weil sie für die Schlepperbanden kein Geld haben. Das Elend dieser Menschen ist unsere Schuld, weil wir nicht Soja und Getreide essen, sondern die Tiere, die diese wertvollen Nahrungsmittel vor ihrer Schlachtung aufnehmen müssen, vom enormen Wasserverbrauch ganz abgesehen. Diese pflanzliche Tiernahrung, die Menschen lange und bestens ernähren könnte, wird also auch noch den Ärmsten gestohlen – fürs Fleischessen. Ist es nicht verachtenswerter Rassismus und arrogante Ignoranz, auf diese Menschen keinerlei Rücksicht zu nehmen? Massenhaft Land wird zur Erzeugung von Fleisch vernichtet, wertvollster Regenwald, Lebensraum indigener Völker und zahlreicher vom Aussterben bedrohter Tierarten, unwiederbringlich. Doch das ist ein Tabu, damit will man das eigene Fleischessen nie in Verbindung bringen, und die Fleischlobby tut ihr Bestes, um es dabei zu belassen.

Egal von welcher Seite man es betrachtet, Fleischessen hat keinerlei Nutzen, im Gegenteil. Es gibt einen einzigen Grund, der dafür spricht, und das ist der sogenannte Gaumenkitzel, der auch nur ein anerzogener ist. Wie könnte ein Gaumenkitzel all die anderen Fakten aufwiegen? Man kann seine Essensgewohnheiten durchaus umstellen, Schritt für Schritt, auch wenn man von früher Kindheit an zum Tiere Essen gezwungen worden und damit aufgewachsen ist und die Masse es ebenso hält aus gleichem Grund. Wer sich um Ethik, Gerechtigkeit, Leidensfähigkeit und Rassismus ernsthaft Gedanken macht, kommt unweigerlich an den Punkt, wo er all diese Zusammenhänge erkennen und Verantwortung übernehmen muss. Wer gut handeln will, muss aufhören, Lebewesen zu quälen oder quälen zu lassen und ihnen stattdessen Leid und Tod ersparen. Es geht um alle Lebewesen der Erde, wir sind nicht die alleinigen Bewohner.

Es geht einzig und allein um den Fakt, dass Tiere, denen die Freiheit und das Leben, an dem sie hängen wie wir, genommen wird, dass Tiere, die den kompletten brutalen Prozess hindurch, von den Zwangsbefruchtungen, die schmerzhafteste Vergewaltigung weiblicher Tiere bedeuten, bis hin zum grausamen Foltertod in den Schlachtanstalten, schrecklich leiden. Entweder man ist bereit, diesen Fakt zur Kenntnis zu nehmen und in der Konsequenz das Leiden auch dieser unserer Mitlebewesen auf unserem Planeten zu beenden oder nicht.
An Argument pro Fleisch kann einzig der Genuss gelten, alles andere ist nicht stichhaltig, da sattsam widerlegt. Das Gleiche gilt für die Milch und sämtliche Milchprodukte. Es ist eine anerzogene Gewohnheit, die sich die gigantischen Fleisch- und Milchkonzerne zunutze machen mittels verlogener Werbung und daraus extremen Profit schlagen. Es ist die schlechte Gewissen beruhigende Gewissheit, nicht allein, sondern mit so vielen Massen an Menschen an der Tierausbeutung und Tierfolter beteiligt zu sein. Diese gewollte und verteidigte Totalverdrängung bedeutet, diese schrecklichen Zustände immer weiter anwachsen zu lassen.
 
Wer hartnäckig pro Fleisch und pro anderer Ausbeutung von Tieren argumentiert, hat entweder keine Ahnung von den jeweils herrschenden Zuständen, will sie nicht kennen, sieht sich als „Krone“ einer „Schöpfung“ und somit berechtigt, andere fremde Arten zu quälen oder verdient daran. Es ist ein Entweder – Oder, auch hier gibt es kein „ein bisschen schwanger“.
  Es geht um die willkürliche Bewertung von fühlenden Lebewesen aufgrund ihrer Erscheinungsform und fehlenden Möglichkeit, sich zu wehren. Tiere aus diesen anthropozentrischen Gründen zu quälen und ihnen das Leben zu nehmen, ist brutaler Rassismus. Das Ganze basiert auf und bleibt zementiert durch eine willkürliche Hierarchie der Lebensformen, die Religionen geschaffen haben. Bislang ist Rassismus gegen Tiere kein Thema im Mainstream unserer egozentrischen Gesellschaft. Die allgegenwärtige Tierfolter wird ausgeblendet, und zurechtgebogene, fadenscheinige Argumente sollen das allgegenwärtige Leid bestimmter Rassen rechtfertigen. Es ist sehr einfach, sich darüber hinwegzusetzen und egoistische Bedürfnisse geltend zu machen, man befindet sich damit in einer zahlenmäßig großen Gesellschaft.
 
Wer sich mit dem Thema Rassismus ernsthaft und gründlich auseinanderzusetzen bereit ist, wird nicht umhin kommen, endlich wahrzunehmen, dass täglich Millionen und Abermillionen von Lebewesen mit dem gleichen Lebenswillen und Lebensrecht wie der Mensch, der auch noch aus diesen Lebewesen hervorgegangen ist und ein Säuger ist wie sie, ignoriert und verraten werden. Jede Aufregung über Rassismus, die diesen Fakt ausblendet, gerinnt dadurch zu einer erbärmlichen Farce.
 
Die Schweinemutter, die in ein enges Metallgestell hineingezwungen wird, darin völlig bewegungslos immer nur auf einer Seite liegen muss, fixiert, damit die ebenfalls auf diesem kalten Spaltenboden lebenden Ferkel an ihr saugen können wie an einer lebendigen Maschine, fühlt diesen entsetzlichen Schmerz, diese lebenslange Tortur wie wir sie fühlen würden. Die Kuh leidet wie wir leiden würden, müssten wir ein grauenhaftes Leben lang angekettet an einem Platz über Spaltenboden stehen oder liegen, auch alle Jahr um Jahr erzwungenen Schwangerschaften hindurch. Man nimmt ihr das auf dem Spaltenboden geborene Kalb sofort weg, ohne dass die beiden sich jemals sehen und berühren, belecken dürfen. Die Mutterkuh brüllt nach ihrem Kalb, sie will es sehen und spüren wie eine Menschenmutter ihr Baby. Das Kalb ruft nach der Mutter. Ihr Euter trägt die Milch des Kalbes, und nur für das Kalb ist sie gesund und geeignet. Doch das Kalb wird niemals am Euter der Mutterkuh saugen. Es wird sofort nach der Geburt in einen sog. Kälberiglu gesperrt; es lohnt sich, nach dieser Perversion zu googeln. Dort muss es von Anfang an ein Fertigprodukt der Agrarindustrie aus einer Plastikflasche saugen, während nebenan, für immer getrennt, gleich hinter der Stallmauer die Mutterkuh täglich gemolken wird, weil Menschen die Milch des Kalbes wollen. Da Kuhmilch naturgemäß nicht für den menschlichen Organismus zusammengesetzt ist, gibt es oft eine Laktoseunverträglichkeit. Doch anstatt gleich auf eine der vielen gesunden Pflanzenmilchsorten umzusteigen, erwartet der Konsument, dass die unverträgliche Kuhmilch auch noch laktosefrei gemacht wird; perverser und sinnfreier geht es nicht.
 
Wer die unerträgliche Folter von fühlenden Tieren billigend in Kauf nimmt, weil er auf sein Schnitzel, sein Würstchen und seinen Käse aus Tiermilch, auf seinen Gaumenkitzel nicht verzichten will, obwohl es gar kein Verzicht ist, weil es eine unüberschaubare Fülle an leckeren und hochwertigen, gesunden, alternativen pflanzlichen Lebensmittel gibt, macht sich schuldig an diesem Leid und muss sich den Vorwurf von Rassismus, von Speziesismus gefallen lassen. Vor allem aber verliert er seine Glaubwürdigkeit, wenn er über Rassismus das große Wort führt, von Gerechtigkeit und Freiheit schwadroniert, denn vor dem Hintergrund der gefolterten, hochtraumatisierten, komplett ignorierten und im Stich gelassenen Schweine, Rinder, Schafe, Hunde, Katzen, Affen, Ratten und Mäuse wird solches Geschwätz entlarvt als das was es ist: aufgesetzt, geheuchelt und verlogen.
 
Es geht einzig und allein um den Fakt: Sie fühlen wie wir. Any Lives matter!
 
 
Sabine Becker 26.09.16

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