Zitate und Nachdenkliches

Nachfolgende Zitate sind ein Auszu aus dem Buch

"Unerhörte Gedanken" – Eine Zitatensammlung

Zusammengestellt von Gunter Bleibohm


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Mit zunehmender Erkenntnis werden die Tiere den Menschen immer näher sein. Wenn sie dann wieder so nahe sind wie in den ältesten Mythen, wird es kaum mehr Tiere geben.

Elias Canetti, Die Provinz des Menschen, Fischer Taschenbuch Verlag 1981


Eine Religion, die darin besteht, daß ein liebender Vater die Welt gemacht habe, damit es hübsch lustig darauf hergehe, und der die Kindlein die seinen Willen thun belohnen, die Anderen tüchtig strafen wird, - ist kein Christenthum, noch nicht ein Mal Judenthum; sondern eine Religion der Blödsinnigen, die nie, unter ihren dicken, schweren, herabgedrückten Schädelknochen, die Augen aufthun und in die Welt hineinsehen konnten.

Arthur Schopenhauer, Spicilegia, 239,2


Es ist nicht leicht, heute über Tierschutz und Kultur zu schreiben für eine Menschheit, die weder das eine noch das andere ihr eigen nennen kann.
Denn unsere zivilisatorischen Errungenschaften bedeuten keine Kultur, so gerne und so oft sie auch damit verwechselt werden, und unser naturfernes mechanisiertes Schablonendenken hat uns vom eigentlichen Menschentum weit genug hinweg geführt.

Manfred Kyber, Tierschutz und Kultur


Das Wort Gott ist für mich nichts als Ausdruck und Produkt menschlicher Schwächen, die Bibel eine Sammlung ehrwürdiger, aber doch reichlich primitiver Legenden. Keine noch so feinsinnige Auslegung kann (für mich) etwas daran ändern. Diese verfeinerten Auslegungen sind naturgemäss höchst mannigfaltig und haben so gut wie nichts mit dem Urtext zu schaffen. Für mich ist die unverfälschte jüdische Religion wie alle anderen Religionen Incarnation des primitiven Aberglaubens.

Albert Einstein, Brief an Gutkind, Princton 3.1.1954


Denn der Mensch ist kränker, unsicherer, wechselnder, unfestgestellter als irgendein Tier sonst, daran ist kein Zweifel – er ist das kranke Tier: woher kommt das?

Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, 13


Er verachte die Jäger wie die Jagd, alle seine Vorfahren seien Jäger gewesen, Waldleute, hätten ihr ganzes Leben nichts anderes als die Jägerei im Kopf gehabt und ein Jäger sei immer ein dummer Mensch, ein Jäger in jedem Fall immer ein jagender Dummkopf. Ihn habe die Jagd nie interessiert. Er sprach von Jägerstumpfsinn.

Thomas Bernhard, Das Kalkwerk


Ich habe Schwierigkeiten mit einer Religion, die behauptet, der Glaube als solcher reiche schon als Eintrittskarte für den Himmel.
Deren Ideal also vorsieht, die eigene Vernunft so weit zu manipulieren, dass sie etwas annimmt, was der Verstand nicht akzeptieren kann. Das ist die gleiche Form der intellektuellen Unterwerfung, deren sich alle Diktaturen im Laufe der Jahrhunderte bedient haben: die Idee einer höheren Instanz, die aber keinerlei Beweise bedarf.

Jo Nesbö, Der Erlöser


Seine Leiden sind nur Schmerzen, nicht ein Kranken an der eigenen Wesenheit. Es begegnet dem Tod erst im Sterben; er steht ihm nicht zeitlebens vor Augen wie dem Menschen. Nie weint ein Tier die Tränen einer verzweifelnden Seele, nie hat ein Tier wie Hiob den Tag seiner Geburt verflucht.

Joseph Bernhart, Die unbeweinte Kreatur


Man sagt, die Liebe zu den Menschen sei die höchste aller Tugenden. Ich bewundere diese Menschenliebe und bin überzeugt, dass sie nur edlen Seelen gegeben ist. Meine Seele ist zu klein, meine Gedanken fliegen zu nahe an der Erde, um je so weit zu kommen; ich muss bekennen, ich entferne mich immer mehr von diesem hohen Ideal, je länger ich lebe. Ich müsste lügen, wollte ich behaupten, dass ich die Menschen liebe.
Aber ich liebe die Tiere, die verkannten unterdrückten Tiere, und es stört mich ein wenig, dass man über mich lacht, wenn ich sage, dass ich mich bei ihnen wohler fühle als bei den meisten Menschen, die mir begegnen.

Axel Munthe, Ein altes Buch von Menschen und Tieren, Zoologie


Unsere Angst davor, womöglich selbst religiös motivierten Hass zu schüren, hat uns die Bereitschaft genommen, Ideen zu kritisieren, die immer unannehmbarer werden oder die ganz offensichtlich zutiefst lächerlich sind. Abgesehen davon verleitet uns diese Angst dazu, uns hinsichtlich der Verträglichkeit religiöser Glaubensweisen und wissenschaftlicher Rationalität selbst zu belügen – und zwar ständig, sogar bei Auseinandersetzungen auf höchstem Niveau.

Sam Harris, Brief an ein christliches Land


Es ist an der Zeit, dass wir uns zu einem ganz grundlegenden Wesensmerkmal des menschlichen Diskurses bekennen: Wenn man über die Wahrheit einer Behauptung nachdenkt, dann befasst man sich entweder mit einer aufrichtigen Bewertung der vorliegenden Evidenz, oder man tut es nicht.
Religion ist der einzige Lebensbereich, in dem Menschen glauben, irgendeine andere Norm als intellektuelle Integrität anwenden zu können.

Sam Harris, Brief an ein christliches Land


Damit beendet man auch die alten Streitereien über die Teilhabe der Tiere an dem natürlichen Gesetz; denn es ist klar, dass sie, da ihnen Denkvermögen und Freiheit fehlen, dieses Gesetz nicht erkennen können. Da sie aber durch die Empfindungsfähigkeit, mit der sie begabt sind, etwas mit unserer Natur gemeinsam haben, wird man zu dem Urteil kommen, dass sie auch an dem Naturrecht teilhaben müssen und dass der Mensch ihnen gegenüber einer gewissen Art von Pflichten unterworfen ist.
Es scheint in der Tat so zu sein, dass, wenn ich verpflichtet bin, meinesgleichen keinerlei Leid zuzufügen, dies weniger deshalb gilt, weil er ein vernünftiges Wesen ist, als deshalb, weil er ein empfindendes Wesen ist: eine Eigenschaft, die dem Tier und dem Menschen gemeinsam ist und die daher wenigstens dem einen das Recht geben muss, nicht unnötigerweise von dem anderen misshandelt zu werden.

Jean-Jacques Rousseau, Abhandlung über den Ursprung und die Grundlagen der Ungleichheit unter den Menschen


Je mehr der Mensch an Religion hängt, desto mehr glaubt er. Je mehr er glaubt, desto weniger weiß er. Je weniger er weiß, desto dümmer ist er. Je dümmer er ist, desto leichter kann er regiert werden! – Dieser Gedankengang war den Tyrannen aller Länder und Zeiten geläufig, daher standen sie auch stets mit den Pfaffen im Bunde.

Johann Most, Die Gottespest


Diese ewige Anklage des Christentums will ich an alle Wände schreiben, wo es nur Wände gibt – ich habe Buchstaben, um auch Blinde sehend zu machen ... Ich heiße das Christentum den einen großen Fluch, die eine große innerlichste Verdorbenheit, den einen großen Instinkt der Rache, dem kein Mittel giftig, heimlich, unterirdisch, klein genug ist – ich heiße es den einen unsterblichen Schandfleck der Menschheit...

Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, 62


Eine der größten Ironien des religiösen Diskurses lässt sich an der Häufigkeit bemessen, mit der religiös gläubige Menschen sich selbst ihrer Demut wegen lobpreisen, während sie Wissenschaftler und Nichtgläubige zugleich ihrer angeblichen intellektuellen Überheblichkeit wegen verteufeln. Dabei gibt es tatsächlich kein Weltbild, das in seiner Überheblichkeit verwerflicher wäre als das eines frommen Gläubigen.

Sam Harris, Brief an ein christliches Land


Wölfen oder Aasgeiern oder Zierfischen den Besitz des Gottesbegriffs oder der Gottesvorstellung zuzuerkennen, das würde uns – so eitel sind wir und so stolz auf unser Monopol, selbst auf unser Demutsmonopol – als Sakrileg gelten. Warum eigentlich? Warum sind diese angeblich von Gott
geschaffenen Kreaturen zu gering, um ihren Schöpfer (si esset) meinen oder auch nur – das ist die erste Form des Meinens – vermissen zu können? Auch nur vermissen zu dürfen? Warum missgönnt Er sich ihnen?
Si esset. Läuft nicht der Monotheismus auf einen Monoanthropoismus hinaus: darauf nämlich, dass es nur eine einzige Spezies gibt, die den Gottesbegriff besitzt? Müsste nicht die Tatsache, dass die Zahl derer, die ihn meinen können oder dürfen, so lächerlich gering ist, jeden Gläubigen als Ungerechtigkeit aufs tiefste verwirren? „Müsste „ vielleicht. Aber ich bin niemals jemandem begegnet, der darüber auch nur einen Augenblick lang gestaunt hätte. Und müsste nicht jeder Theologe die Frage stellen, warum Gott es für ratsam gehalten habe, anonym hinter der überwältigenden Majorität seiner creata zurück zu bleiben? Si esset. Der Schöpfer scheint bei dieser –aber das hätte er sich, si esset, allein zuzuschreiben – total unberühmt zu sein. Offenbar ist er – si esset – genauso kreaturverlassen, wie wir gottverlassen sind. Warum? Analog müsste jeder Theologe darüber bestürzt sein, dass Gott seine Anonymität gerade und vor uns: vor dieser infinitesimalen ethnischen Minderheit des Universums gelüftet hat. Womit haben wir Menschen das eigentlich verdient, als „auserwähltes Volk“, als Juden des Universums, auf der Welt zu sein? Und schließlich müsste jeder Theologe fragen, was diese Auslese über Gott selbst aussagt. Aussagen würde, si esset.
Gerechtigkeit gewiss nicht. Einfach unfasslich ist es, mit welcher Hartnäckigkeit Millionen von Menschen Jahrtausende lang diese doch wahrhaftig nicht an den Haaren herbeigezogene Frage nicht gestellt
haben. Ist es nicht hoch an der Zeit, parallel zur positiven Geschichte der Philosophie und Theologie eine negative Geschichte zu schreiben: eine Geschichte der Fragen, vor denen sich die Menschheit gedrückt hat, und der Motive, aus denen sie sich vor diesen gedrückt hat?

Günther Anders, Ketzereien, Im Zoo gewesen


Ein durchschnittlicher Christ, der sonntags in einer durchschnittlichen Kirche einer durchschnittlichen Predigt lauscht, hat ein Maß an Arroganz erreicht, das im wissenschaftlichen Diskurs schlicht undenkbar wäre – undenkbar sogar für die wenigen ungewöhnlich arroganten Wissenschaftler, die es in der Tat gab.

Sam Harris, Brief an ein christliches Land


Gottlos ist nicht, wer die Götter der Menge beseitigt, sondern wer die Anschauungen der Menge auf die Götter überträgt.

Epikur, Brief an Menoikeus


Ihr aber, wenn euer Glaube euch selig macht, so gebt euch auch als selig! Eure Gesichter sind immer eurem Glauben schädlicher gewesen als unsere Gründe! Wenn jene frohe Botschaft eurer Bibel euch ins Gesicht geschrieben wäre, ihr brauchtet den Glauben an die Autorität dieses Buches nicht so halsstarrig zu fordern: eure Werke, eure Handlungen sollten die Bibel fortwährend überflüssig machen, eine neue Bibel sollte durch euch fortwährend entstehen! So aber hat alle eure Apologie des Christentums ihre Wurzel in eurem Unchristentum; mit eurer Verteidigung schreibt ihr eure eigne Anklageschrift. Solltet ihr aber wünschen, aus diesem eurem Ungenügen am Christentum herauszukommen, so bringt euch doch die Erfahrung von zwei Jahrtausenden zur Erwägung: welche, in bescheidene Frageform gekleidet, so klingt: „wenn Christus wirklich die Absicht hatte, die Welt zu erlösen, sollte es ihm nicht mißlungen sein?“

Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, II, 98


Ein anderer, bei dieser Gelegenheit zu erwähnender, aber nicht weg zu erklärender Grundfehler des Christentums ist, dass es widernatürlicherweise den Menschen losgerissen hat von der Tierwelt, welcher er doch wesentlich angehört und ihn nun ganz allein gelten lassen will, die Tiere geradezu als Sache bezeichnend.

Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena II, Über Religion


Denn mein Gesang gilt erstlich erhabenen Dingen: ich strebe, Weiter den Geist aus den Banden der Religion zu befreien.

Lukrez, Über die Natur der Dinge, 55


Haus- und Schoßtiere und Verwandtes. – Gibt es etwas Ekelhafteres als die Sentimentalität gegen Pflanzen und Tiere von seiten eines Geschöpfes, das wie der wütendste Feind von Anbeginn unter ihnen gehaust hat und zuletzt bei seinen geschwächten und verstümmelten Opfern gar noch auf zärtliche Gefühle Anspruch erhebt! Vor dieser Art „Natur“ geziemt dem Menschen vor allem Ernst, wenn anders er ein denkender Mensch ist.

Friedrich Nietzsche, Morgenröte, 286


Ob es den Metaphysikern und religiösen Idealisten, Philosophen, Politikern und Dichtern gefällt oder nicht: Die Gottesidee enthält die Abdankung der menschlichen Vernunft und Gerechtigkeit an sich, sie ist die entschiedenste Verneinung der menschlichen Freiheit und führt notwendigerweise zur Versklavung der Menschen in Theorie und Praxis.

Michael Bakunin, Gott und der Staat, Karin Kramer Verlag Berlin, 1995


Während ein unbeugsamer und von keinerlei Evidenz
gestützter Glaube in jedem anderen Bereich des Lebens als ein Merkmal von Irrsinn oder Dummheit gälte, genießt der Glaube an Gott in unserer Gesellschaft noch immer höchstes Ansehen. Religion ist das Gebiet im Diskurs der Menschen, auf dem es als edel gilt, vorzugeben, sich über Dinge gewiss
zu sein, die kein Mensch je mit Gewissheit wissen kann. Bezeichnenderweise erstreckt sich diese Aura des Edelmuts jedoch nur auf die Glaubensweisen, denen sich gegenwärtig viele Menschen verschrieben haben. Jeder Mensch, der dabei ertappt würde, wie er Poseidon verehrt – und sei es, er täte es auf hoher See -, würde für verrückt erklärt.

Sam Harris, Brief an ein christliches Land


Das Christentum hat einige Feinheiten auf dem Grunde, die zum Orient gehören. Vor allem weiß es, daß es an sich ganz gleichgültig ist, ob etwas wahr ist, aber von höchster Wichtigkeit, sofern es als wahr geglaubt wird.

Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, 23


Mitleid mit den Thieren hängt mit der Güte des Charakters so genau zusammen, daß man zuversichtlich behaupten darf, wer gegen Thiere grausam ist, könne kein guter Mensch seyn.

Arthur Schopenhauer, Grundlage der Moral, §19, Bestätigung des dargelegten Fundaments der Moral


Ärgert dich dein Auge, so reiß es aus, ärgert dich deine Hand, so hau sie ab, ärgert dich deine Zunge, so schneide sie ab, und ärgert dich deine Vernunft, so werde katholisch.

Heinrich Heine an Karl August Varnhagen von Ense, 19. Oktober 1827, HSA Bd. 20, Brief Nr. 235, Seite 302


Gibt es eine gefährlichere Verführung, den Göttern Epikurs, jenen sorglosen Unbekannten, den Glauben zu kündigen und an irgendeine sorgenvolle und kleinliche Gottheit zu glauben, welche selbst jedes Härchen auf unserm Kopfe persönlich kennt und keinen Ekel in der erbärmlichsten Dienstleistung findet?

Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft, 277


Auschwitz der Tiere
Vierzehn Tage bin ich auf Ferien gewesen. Habe keine einzige Fliege, Mücke, Biene und keinen Schmetterling gesehen. Und dabei haben früher die Schwärme von Insekten die Majorität der lebenden Wesen ausgemacht. Wir sind uns gar nicht bewußt, dass das Auschwitz der „lebensunwerten“ Insektenwelt bereits hinter uns liegt. War es das Ideal Hitlers gewesen, dass nur Arier übrigblieben, so ist es das Ideal der heutigen Technokraten, nur Menschen übrig zu lassen.

Günther Anders, Ketzereien


Die vermeinte Rechtlosigkeit der Thiere, der Wahn, daß unser Handeln gegen sie ohne moralische Bedeutung sei, oder, wie es in der Sprache jener Moral heißt, daß es gegen Thiere keine Pflichten gebe, ist geradezu eine empörende Rohheit und Barberei des Occidents, deren Quelle im Judenthum liegt.

Arthur Schopenhauer,Grundlage der Moral, §19, Bestätigung des dargelegten Fundaments der Moral


Die meisten Glaubens-Lehrer verteidigen ihre Sätze, nicht weil sie von der Wahrheit derselben überzeugt sind, sondern weil sie die Wahrheit derselben einmal behauptet haben.

Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft J (521)


Man betrachte z.B. den Koran: dieses schlechte Buch war hinreichend, eine Weltreligion zu begründen, das metaphysische Bedürfniß zahlloser Millionen Menschen seit 1200 Jahren zu befriedigen, die Grundlage ihrer Moral und einer bedeutenden Verachtung des Todes zu werden, wie auch, sie zu blutigen Kriegen und den ausgedehntesten Eroberungen zu begeistern. Wir finden in ihm die traurigste und ärmlichste Gestalt des Theismus.

Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum ersten Buch, zweite Hälfte, Kapitel 17


Wenn aber überhaupt vor allem Glaube not tut, so muß man die Vernunft, die Erkenntnis, die Forschung in Mißkredit bringen: der Weg zur Wahrheit wird zum verbotnen Weg.

Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, 23


Seltsam, dass die Menschen so gern für ihre Religion fechten und so ungern nach ihren Vorschriften leben.

Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher L (705)


Ja die Nonnen haben nicht allein ein strenges Gelübde der Keuschheit getan, sondern haben auch noch starke Gitter vor ihren Fenstern.

Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft C (37)


Das ist es nicht, was uns abscheidet, daß wir keinen Gott wiederfinden, weder in der Geschichte, noch in der Natur, noch hinter der Natur – sondern daß wir, was als Gott verehrt wurde, nicht als „göttlich“, sondern als erbarmungswürdig, als absurd, als schädlich empfinden, nicht nur als Irrtum, sondern als Verbrechen am Leben... Wir leugnen Gott als Gott ...

Friedrich Nietzsche, Der Antichrist, 47


Bei keiner Sache hat man so sehr den Kern von der Schale zu unterscheiden, wie beim Christentum.

Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung, Zweiter Band, Zum vierten Buch, Kapitel 48


Dagegen sehe man die himmelschreiende Ruchlosigkeit, mit welcher unser Pöbel gegen die Tiere verfährt, sie völlig zwecklos und lachend tötet oder verstümmelt oder martert und selbst die von ihnen, welche unmittelbar seine Ernährer sind, seine Pferde, im Alter auf das Äußerste anstrengt, um das letzte Mark aus ihren armen Knochen zu arbeiten, bis sie unter seinen Streichen erliegen. Das sind die Folgen jener Installations-Scene im Garten des Paradieses. Denn dem Pöbel ist nur durch Gewalt oder durch Religion beizukommen: hier aber lässt das Christentum uns schmählich im Stich.

Arthur Schopenhauer, Parerga und Paralipomena II, Über Religion



“    Aber so ein Gott Jehova, der zum Vergnügen und mutwillig diese Welt der Not und des Jammers hervorbringt und dann noch gar sich selber Beifall klatscht mit „Alles war sehr gut“ (Moses, 1,31): Das ist nicht zu Ertragen.
Arthur Schopenhauer, Die Welt als Wille und Vorstellung


Der Alltags-Christ. – Wenn das Christentum mit seinen Sätzen vom rächenden Gotte, der allgemeinen Sündhaftigkeit, der Gnadenwahl und der Gefahr einer ewigen Verdammnis recht hätte, so wäre es ein Zeichen von Schwachsinn und Charakterlosigkeit, nicht Priester, Apostel oder Einsiedler zu werden und mit Furcht und Zittern einzig am eignen Heile zu arbeiten; es wäre unsinnig, den ewigen Vorteil gegen die zeitliche Bequemlichkeit so aus dem Auge zu lassen. Vorausgesetzt, daß überhaupt geglaubt wird, so ist der Alltags-Christ eine erbärmliche Figur, ein Mensch, der wirklich nicht bis drei zählen kann, und der übrigens, gerade wegen seiner geistigen Unzurechnungsfähigkeit, es nicht verdiente, so hart bestraft zu werden, wie das Christentum ihm verheißt.

Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches I,116


Strenggläubigkeit bedeutet nicht mehr denken – nicht mehr denken brauchen. Strenggläubigkeit ist Unkenntnis.

George Orwell, 1984, Ullstein 3253


Kritik der Tiere. – Ich fürchte, die Tiere betrachten den Menschen als ein Wesen ihresgleichen, das in höchst gefährlicher Weise den gesunden Tierverstand verloren hat, – als das wahnwitzige Tier, als das lachende Tier, als das weinende Tier, als das unglückselige Tier.

Friedrich Nietzsche, Die Fröhliche Wissenschaft, 224


Wer die Möglichkeit des Jenseitigen verneint, der vermag immerhin anzunehmen, dass die Qual ein Ende haben wird. Wer jedoch an ein Jenseits glaubt und zugleich Erlösung ausschließt, wer zu wissen meint, dass es nach dem Tode weitergehen, aber nicht besser werden wird, wer also die Qual in die Unendlichkeit projiziert, erst der lebt in der denkbar schlechtesten aller Welten. Ich wüsste nicht, wie eine solche Tristesse sich noch steigern ließe.

Navid Kermani, Der Schrecken Gottes


Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise; wie das grüne Kraut habe ich‘s euch alles gegeben.
Allein esst das Fleisch nicht, das noch lebt in seinem Blut.

Gen 9, 3-4


Verboten ist euch (der Genuß von) Verendetem, Blut, Schweinefleisch und dem, worüber ein anderer (Name) als Allah(s) angerufen worden ist, und (der Genuß von) Ersticktem, Erschlagenem, zu Tode Gestürztem oder Gestoßenem, und was von einem wilden Tier gerissen worden ist – außer dem, was ihr schlachtet – und (verboten ist euch,) was auf einem Opferstein geschlachtet worden ist, und mit Pfeilen zu losen. Das ist Frevel. –

Koran, 5. Sure, Vers 3 (http://islam.de/13827.php?sura=5)


Tiere sind schon darum merkwürdiger als wir, weil sie ebenso viel erleben, es aber nicht sagen können. Ein sprechendes Tier wäre nicht mehr als ein Mensch.

Elias Canetti, Die Provinz des Menschen, Fischer Taschenbuch Verlag 1981


Der Mensch warf sich im Laufe seiner Kulturentwicklung zum Herren über seine tierischen Mitgeschöpfe auf. Aber mit dieser Vorherrschaft nicht zufrieden, begann er eine Kluft zwischen ihr und sein Wesen zu legen. Er sprach ihnen die Vernunft ab und legte sich eine unsterbliche Seele bei, berief sich auf eine hohe göttliche Abkunft, die das Band der Gemeinschaft mit der Tierwelt zu zerreißen gestattete.

Sigmund Freud, Werke Bd. XII, Fischer, Frankfurt 1972


Why should the law refuse its protection to any sensitive being? The time will come when humanity will extend its mantle over everything which breathes.

Jeremy Bentham, Principles of Penal Law. From the French of Dumont and the MSS of Bentham. Part III. Chapter XVI Of the Cultivation of Benevolence

(Warum sollte das Gesetz seinen Schutz irgendeinem empfindenden Wesen verweigern? Die Zeit wird kommen, da die Menschheit alles, was atmet, unter ihren Schirm und Schild nehmen wird.)


The day may come when the rest of the animal creation may acquire those rights which never could have been withholden from them but by the hand of tyranny. The French have already discovered that the blackness of the skin is no reason why a human being should be abandoned without redress to the caprice of a tormentor. It may one day come to be recognized that the number of legs, the villosity of the skin, or the termination of the os sacrum are reasons equally insufficient for abandoning a sensitive being to the same fate. [...] the question is not, Can they reason? nor, Can they talk? but, Can they suffer?

Jeremy Bentham, An Introduction to the Principles of Morals and Legislation. A new edition, corrected by the author. London 1828. Chapter 17: Of the Limits of the Penal Branch of Jurisprudence. IV

(Vielleicht kommt einmal der Tag, da die übrigen Geschöpfe die Rechte erwerben werden, die ihnen nie, wenn nicht durch die Hand der Tyrannei, hätten vorenthalten bleiben können. Die Franzosen haben bereits entdeckt, dass schwarze Haut kein Grund ist, ein menschliches Wesen hilflos der Laune eines Peinigers auszuliefern. Ebenso mag eines Tages erkannt werden, dass auch die Zahl der Beine, Behaarung oder ein Schwanz ein unzureichender Grund dafür sind, ein empfindendes Wesen solchem Schicksal zu überlassen. [...] Die Frage ist nicht, ob sie Verstand haben oder sprechen können, sondern ob sie leiden.)


Zum Stierkampf: das ist der Urtrieb des Menschen, der geht ja durch alle Schichten und alle Menschen – das Töten. Da ist es halt noch völlig offenbar. Die zivilisierte Menschheit macht es halt auf versteckte Art, bringt sie anständig um. Das ist die primitive Art, die blutrünstigste, kann man im wahrsten Sinne des Wortes sagen. Das Ganze ist unter dem Titel der Ehre. Es ist eine Ehre für den Stier, dass er da unter einem schauerlichen Gemetzel sterben darf. Das ist wie jedes Theater auch total verlogen. Abgesehen davon, dass es hundsgemein ist. Aber hochelegant, obwohl die hochelegante Sache im Grunde eine infernalische ist. Grauenhaft. Entsetzlich. Lauter Schlächter, das letzte an Menschen überhaupt, was es gibt. Ist das nicht schrecklich?

Thomas Bernhard, Die Ursache bin ich selbst, 3sat, 5.11.98


Einst war es die Religion, die uns mit dem Richterspruch am Ende der Tage drohte. Heute ist es unser gequälter Planet selbst, der die Ankunft dieses Tages voraussagt. Diese letzte Offenbarung kommt nicht vom Berg Sinai, nicht von jenem Tag der Predigt, auch nicht vom Bo-Baum Buddhas – es ist die Anklage der stummen Kreatur, die uns mahnt, unsere ehrgeizige Allmacht zu zähmen, damit wir nicht allesamt zu Grunde gehen in einer Wüste, die sich einst als Schöpfung präsentierte.

Hans Jonas, 30.1.93, zwei Wochen vor seinem Tode, ubi??